Dooooooooooom! Ein derart illustres Dreigespann, wie es an diesem Sonntag die kleine Bühne in der Halle des Münchner Backstage enterte, durfte man nur selten erleben: Saint Vitus, die Altmeister des Doom aus Kalifornien, sowie Crowbar, DAS Urgestein des Sludge aus Louisiana, und nicht zuletzt – als Erste des Abends – die Münchner Stonerbrigade The Cromptons. Wer hier alte Männer Bärten erwartete, der lag zwar grundlegend nicht ganz falsch, aber die daraus eventuell resultierende, negative Erwartungshaltung wurde – erfreulicherweise – auf ganzer Linie enttäuscht.
Gegen 19:30 Uhr herrschte zunächst noch gähnende Leere im Saale, ein Zustand der sich leider auch innerhalb der nächsten 45 Minuten nicht wirklich ändern sollte. Eine dreiviertel Stunde nach Einlassbeginn befanden sich die meisten Besucher noch im Biergarten des Backstage, mit Erlöschen der Beleuchtung und Beginn des Auftritts der Cromptons waren vielleicht gerade einmal 20 Leute anwesend, Bartender und Merchbesatzung mitgerechnet.
Und dennoch – gut gelaunt und voller Energie wurde der Abend von den vier Münchnern eröffnet. Und die Cromptons – für mich an diesem Abend war es der Erstkontakt mit dieser Band – machten ihre Sache richtig gut. Entspannt stonerrockend setzte es einen nach dem anderen Song, das Grinsen wich einfach nicht von den Gesichtern der Band, auch wenn es gerade einmal ein einziger Besucher war, der fäusteschwingend direkt vor der Bühne seine Begeisterung und Hingabe bekundete. Der Rest der Anwesenden stand in der Mitte bzw. im hinteren Teil der Halle und zeichnete sich in allererster Linie durch Zurückhaltung aus. Viel Platz also für den Fotografen, man kann es auch positiv sehen.
An der Musik selbst kann es nicht gelegen haben, die rumpelig-fuzzige Mischung aus Stoner, Doom und Rock’n Roll ist einfach unwiderstehlich und stiftet dazu an, die Rübe hin- und her zu bangen und alles wippen zu lassen was geht. Man vernahm unter Anderem “Flut”, “O.K.”, “Gasolin” und “Feuerteufel”. Ansteckend, dieser Auftritt, auch wenn nur Wenige sich der Infektionsgefahr überhaupt aussetzten. Und da sage nochmal jemand, in München gäbe es keinen anständigen Rock’n Roll. Danke Jungs, hat wirklich Spaß gemacht! Eine Bitte nur vom Fotografen an Markus: bitte lass dich in Zukunft besser beleuchten, gibt doch keinen Grund zum Verstecken, danke!
Zumindest die Bühnendeko musste nicht umgestaltet werden, hatten die Cromptons doch bereits vor dem ausgerollten Crowbar-Banner gespielt. Eine knappe halbe Stunde Kistenschieberei später machte sich der nächste Schub freudiger Erwartung und auch ein wenig Ehrfurcht breit. Immerhin reden wir hier von einer Band, die bereits seit Ende der Achtziger Jahre im Geschäft ist, auch wenn die einzige Konstante im Lineup der bärtige Frontshouter Kirk Windstein ist. Charismatisch und sichtbar guter Laune ließ es sich eben jener zutättowierte Geselle mit dem ergrauenden Bart nicht nehmen, bei jeder möglichen Gelegenheit in Interaktion mit dem Publikum zu treten. Der Rest der Bandbesetzung beeindruckte eher durch introvertierte Instrumentalonanie und schwungvolles Mähneschütteln, war aber in ihrer distinguierten Erscheinung zumindest ein Hingucker, wohl vor allem für die metallgeneigte Weiblichkeit im Raum.
Der Auftritt selbst – eine Wand aus Gitarre, Bass und der heiseren Reibeisenröhre von Mr. Windstein. Das Publikum – wie durch Zauberhand in seiner Zahl mindestens verfünffacht. Ich hatte sogar den Eindruck dass sich beim anschließenden Auftritt des Heiligen Vitus die Dichte des Publikums wieder leicht verringert hatte. Es wurde fleißig gebangt, das Publikum zeigte sich dankbar und ausgelassen, wenn auch nicht euphorisch – aber das sind die Münchner ja bekanntermaßen selten, zumindest wenn es ums Ausrasten bei Konzerten geht.
Fehlten also nur noch Wino und seine Lavatruppe um den Abend zu komplettieren. Ich muss gestehen – ein wenig erschrocken war ich schon als ich Dave Chandler die Bühne betreten sah. Alt geworden ist er, der Meister der Saiten, seine Fähigkeiten am Griffbrett hat er jedoch nicht verloren. Mit einer Virtuosität die Ihresgleichen sucht wurde die Klampfe zum Singen gebracht, ein solches Maß an Können teilt der Mann nur mit wenigen Anderen Musikern auf der Welt. Immer im Kontakt mit der Menge war Chandler in Sachen Gestik und vor allem auch mimisch der aktivste Part dieser Show. Der Gesangspart Winos wurde immer wieder durch ausladende Bewegungen und ein stummes Nachformen der Worte unterstrichen. Dave Chandler war es auch, der irgendwann während des Gigs den Anwesenden den Tipp gab, im Falle eines Katers am nächsten Morgen dem Chef mit schönen Grüßen von Saint Vitus auf den Tisch zu scheißen. Hut ab für soviel Feingefühl.
Und dann Scott “Wino” Weinrich selbst. Ich kenne kaum einen Künstler, der einen so intensiven und wachen Blick, soviel Feuer und Energie besitzt. Kaum jünger als seine Streitgefährten (vom neuen Drummer Henry Vasquez einmal abgesehen) ist er in der Lage, ein Publikum in seinen Bann zu ziehen, und das auch ohne auf der Bühne völlig freizudrehen. Frisch und hellwach, und außerdem sichtlich erfreut über die für Münchner Verhältnisse doch recht ausgeprägte Resonanz im Publikum ließ er es sich nicht nehmen, hin und wieder einen Spruch einzuflechten, oft begleitet von Gelächter im Publikum und dem Nachsatz “Same old jokes, again”. Mehrfach griff es sich ans Herz und tat kund, er fühle die Bindung zu den Anwesenden und deren Begeisterung, war sichtlich beeindruckt und vielleicht sogar etwas gerührt.
Überhaupt wurde die Band nicht müde, ihre Freude über eine Rückkehr nach München zum Ausdruck zu bringen. Ewig sei es her seit man hier gewesen sei, und abgesehen davon sei das Publikum das beste das man jemals in München hatte.
Neben Klassikern wie “Born to late” und “I bleed black” wurde auch das aktuelle Album “Lillie F-65″ gebührend in die Setlist integriert. Persönlich fehlten mir ein wenig die schweren Doom-Nummern der frühen Tage, die alten Herren wollten es noch einmal wissen und drückten das Gaspedal ordentlich durch. Bis auf Mark Adams war die Bühnenpräsenz aller Beteiligten durchgehend stark, auch der im Hintergrund platzierte Drummer Vasquez (der durch den Luftstrom von der Decke ständig den Eindruck machte, mit wehenden Haaren für ein Fotoshooting zu posieren) . Adams jedoch stand apathisch beiseite und bewegte die meiste Zeit nur die Finger. Dickbäuchig und verfallen gab er einen unschönen Kontrast zum Rest der Band ab und bot allen Grund zu Besorgnis.
Nichts destotrotz – ich habe selten einen so intensiven und hinreißend authentischen Gig gesehen wie diesen. Danke Saint Vitus, auch wir haben es fühlen können.
Aber Hallo ! Adams hat auf der Bühne noch nie vielmehr gemacht als das. Vermutlich ist das der Grund, warum er schon füher nicht auf’s Cover der Gammelsdorf Platte durfte ;-)